Nach etwas Ärger am frühen Morgen radelte ich von Strassburg nach Offenburg, schräg gegenüber auf der anderen Seite des Rheintals. Mit der Schwarzwaldbahn überquerte ich den Namensgeber der Eisenbahnstrecke bis Immendingen an der oberen Donau. Von dort radelte ich durch einen ausgesprochen schönen Talabschnitt bis Sigmaringen.
So, 4.8.2019 (103 km und 570 Hm, gesamt 860 km und 3410 Hm)
Fahrrad Strassburg – Offenburg, Immendingen – Sigmaringen
Zug Offenburg – Immendingen
Mittagessen: Jause aus Geschäft
Abendessen: Bootshaus, Sigmaringen
Übernachtung: Jägerhof, Sigmaringen (90 €)
Besichtigung: Donauversickerung bei Immendingen
Höchsttemperatur: 26°
Am Morgen lief es nicht ganz so wie geplant. Ich war um sieben Uhr bereit, mein Rad aus dem Nachbarhotel zu holen. Da dieses geschlossen war, ging ich zum Haupthaus meines Hotels und wollte zur Rezeption. Die Tür war verschlossen, so läutete ich. Ich wurde zwar hineingelassen, aber bei der Rezeption tauchte kein Angestellter auf. Ein französischer Gast sagte mir, dass das Frühstücksbuffet an Sonntagen erst um acht Uhr beginne. Toll! Kochend vor Wut ging ich vor dem Hotel auf und ab, bis um halb acht jemand ein Fenster zum Lüften öffnete. Ich machte mich bemerkbar, worauf mich eine Frau einließ, die kaum besser Französisch sprach als ich. Ich konnte ihr aber „ausdeutschen“, dass sie mich zu meinem Rad lassen solle, worauf sie mich hinüberbegleitete und die Tür zum Hinterhof mit den Rädern öffnete.
Ich wollte mit dem Rad wieder zurück zur Straße gehen, aber die Frau verstellte mir den Weg. Sie drängte mich nach hinten und machte eine Tür auf, wo sie mich hinausscheuchen wollte. Ich debattierte mit ihr sinnlos herum, sagte, dass ich zum Hotel wolle, aber sie verstellte mir den Weg, weil ich nicht durch die Rezeption des Nachbarhotels dürfte. Die Rezeption war eine Durchfahrt mit einem Pult, durch die ich bei meiner Ankunft mit der Rezeptionistin das Rad geschoben hatte. Sie ließ sich nicht erweichen, auch nicht mit meinem Argument, dass hinten alles abgesperrt wäre und ich nicht durchkäme. Sie meinte, links und rechts gehe es.
Da ich nicht gewalttätig werden konnte, schrie ich sie noch einmal an und ging nach hinten, wo ich mir im benachbarten Klinikareal an einer abgezäunten Baugrube herum durch Erde und Schotte einen Weg suchen musste. Das ist wahrer Kundenservice! Beim Hotel beklagte sie sich offensichtlich gerade bei ihren Arbeitskollegen über mich – am liebsten hätte ich ihr die Zunge gezeigt, was aber meine Erziehung leider nicht zulässt.
So hebe ich im Laufschritt mein Gepäck geholt, am Rad befestigt und den Zimmerschlüssel im Haupthaus so laut wie möglich auf den Rezeptionstisch geknallt. Dann in ich so schnell wie möglich durch die Innenstadt und das Hafenviertel sowie über die Rheinbrücke unter Missachtung aller Verkehrsregeln zum Bahnhof nach Kehl gestrampelt. Noch sieben Minuten zur Abfahrt des Zuges. Hinein in die Bahnhofshalle, die eigentlich keine solche ist, und den Automaten bedient. Am Ende die Bankomatkarte in den Schlitz gesteckt – und dann ging nichts weiter. In diesem Moment hörte ich oben einen Dieselmotor starten, das musste mein Zug sein. Dorthin müsste ich noch mit meinem bepackten Fahrrad eine lange Treppe hinauf – ich liebe diese barrierefreien deutschen Bahnhöfe! Da nur mehr zwei Minuten bis zur Abfahrt waren und ich nicht mit einem Ticket in der Hand dem hinausfahrenden Zug nachschauen wollte, brach ich die Transaktion ab. Das waren die Minuten, die mir durch meine Baustellenexkursion beim Hotel abgingen. Später bei einem Ticketkauf in Ruhe erkannte ich, dass deutsche Fahrkartenautomaten im Gegensatz zu den österreichischen nicht erkennen, wenn eine Bankomatkarte hineingesteckt wird, man muss davor die Zahlungsart „Girokarte“ wählen.
So hatte ich, statt gemütlich zehn Minuten mit einem Dieseltriebwagen nach Offenburg auf der anderen Talseite zu schaukeln, dreißig Kilometer Strampelei vor mir. Dies war mir lieber als eine Stunde auf den nächsten Zug zu warten. Das 20 km entfernte Offenburg war außer am Anfang nie angeschrieben, vermutlich hatte ich eine Abzweigung verpasst. So verfuhr ich mich zuerst, verzweifelte mit der Beschilderung für Radfahrer, und suchte mit Hilfe meiner Offline-Karte am Handy den Weg durch die ausgeschilderten Kuhdörfer. Beim zweiten Verfahrer platzte mir der Kragen und ich folgte der Beschilderung für die Autofahrer, wo Offenburg angeschrieben war. So wurden es zwar 25 statt der 20 Kilometer, aber ich landete schlussendlich am dortigen Bahnhof.
Die Züge auf der Schwarzwaldbahn haben erstaunlicherweise einen Stundentakt. Leider hatte ich durch mein Herumirren mit dem Rad den nächsten Zug auch wieder verpasst. So hatte ich aber wenigstens die Zeit, stressfrei meine Fahrkarte nach Immendingen, der Endstation dieses Zugs, zu kaufen. Dies funktionierte auch gleich auf Anhieb. Dann konnte ich auch noch eine Wegzehrung für die Bahnfahrt kaufen. Dann kam ich früh – barrierefrei, sprich mit Aufzügen! – auf den Bahnsteig. Dieser war voll mit Fahrrädern. Ich hielt mich an drei Frauen, die ohne großes Gepäck nach Einheimischen aussahen und wissen sollten, wo der Waggon mit dem Fahrradabteil stehenbleiben würde. So war es auch, und ich ergatterte einen der ersten der raren Plätze für Fahrräder.
Die Schwarzwaldbahn führt von Offenburg über den höchstgelegenen Bahnhof Sankt Georgen nach Donaueschingen am Beginn der Donau durch die Vereinigung der beiden Flüsse Brigach und Breg sowie weiter in Richtung Bodensee. Wegen Bauarbeiten ist diesen Sommer aber bereits in Immendingen Ende. Obwohl der höchste Punkt nur etwas über 800 m über dem Meeresspiegel liegt, hat die Strecke den Charakter einer Gebirgsbahn. Von den 650 m Höhenunterschied vom Rheintal zum Scheiteltunnel entfallen 550 Höhenmeter allein auf die 40 km von Hausach nach St. Georgen. Dort windet sich die doppelgleisige Strecke mit vier Kehren sowie vielen Tunnel und Brücken das Tal der Gutach hinauf, oder besser gesagt auf deren bewaldeten Flanken.
Nach etwa eineinhalb Stunden Fahrt hatte ich mein Etappenziel erreicht und schwang mich sofort auf das Rad. Kaum mehr als einen Kilometer nach dem Bahnhof folgte ich bei einer Jausenstation einem Fußweg auf der rechten Seite der Donau, der mit Donauversinkung beschildert ist. Hier ist die erste von drei Stellen, an denen Donauwasser in ein unterirdisches Kluftsystem im Jurakalk verschwindet. Zwölf Kilometer von Immendingen taucht das Wasser im Aachtopf wieder auf und fließt als Radolfszeller Aach in den Bodensee. So unterwandert der unterirdische Donauarm sozusagen die europäische Hauptwasserscheide, da er über den Rhein in die Nordsee gelangt, während die Donau bekanntermaßen in das Schwarze Meer fließt.
Ich ging wieder zurück zum Donauradweg und folgte diesem ein paar hundert Meter, wo die Donauversinkung ein zweites Mal ausgeschildert war. Und an dieser Stelle war von der Donau nur mehr ein kompett trocken gefallenes Flussbett im Kalk übrig. Die Zahl der Tage mit Vollversinkung variiert stark mit steigender Tendenz. Bereits einige Kilometer nach dem trockenen Flussbett wuchs die Donau aufgrund der Zuflüsse langsam wieder zu einem kleinen Flüsschen an.
Einige Kilometer später durchquerte ich Tuttlingen, eine Kreisstadt und regionales Zentrum dieses Abschnitts des Donautals. Bei Friedingen schneiden Eisenbahn und Straße eine gewundene Schleife des Tals ab. Dadurch durchfährt man sicher einen der schönsten Teile des Donautals – recht schmal, häufig mit markanten Felswänden und ohne Verkehrslärm.
Bald danach taucht nach und nach das stattliche Benediktinerkloster Beuron auf, welches aber im 11. Jh. als Augustiner Chorherrenstift gegründet wurde. Diese beiden Orden scheinen Donaudurchbrüche zu lieben, Benediktinerklöster findet man auch in Weltenburg in Bayern oder mit Melk und Göttweig am Beginn und am Ende der niederösterreichischen Wachau, ein weiteres Augustiner Chorherrenstift gibt es in Klosterneuburg an der Wiener Pforte.
Auf meinem ursprünglichen Routenplan hatte ich hier eine Übernachtung vorgesehen. Da ich aber schneller weiterkommen möchte, werde ich die Etappe verlängern, wenn auch wegen der vormittäglichen Verzögerungen weniger weit als am Vorabend gedacht.
Das Tal ist mit Felswänden und Burgen weiterhin sehr attraktiv, aber wieder etwas breiter und mit der unüberhörbaren Straße. Vor und hinter Beuron waren auffällig viele Wanderer (oder Pilger?) unterwegs, außerdem gibt es hier die höchste Dichte an Jugendlagern, die ich in meinem Leben erlebt habe. Ach ja, und auf vielen Kilometern gibt es keine nennenswertes Dorf.
Dann tauchte mit Sigmaringen die nächste Kreisstadt auf, die von einem sehr stattlichen Schloss der Hohenzollern überragt wird. Da es schon später Nachmittag war, bezog ich ein Zimmer in einem Hotel in etwas erhöhter Lage gegenüber der Altstadt.
Nach der Dusche fragte ich den Chef nach einem guten Restaurant und folgte seiner Empfehlung am Donauufer. Danach spazierte ich noch – bald mit einem Eis in der Hand – durch die Innenstadt.

rechts ein typisches Schwarzwälderhaus, aus Holz und mit tiefgezogenem Krüppelwalmdach

Schloss über Hornberg

Auf der Hochfläche bei St. Georgen

Im Bereich der Blasen verbirgt sich ein Schluckloch, durch das Flusswasser in den Klüften des Kalkgesteins verschwindet …

… und so sieht das Flussbett der Donau ein paar hundert Meter weiter talabwärts aus

Donautal bei Tuttlingen

Brunnen in Mühlheim an der Donau

Und noch einmal Richtung Tourist Info

Danach beginnt der beeindruckende Durchbruch der Donau durch die Schwäbische Alb

Das Jägerhaus ist eines der wenigen Gebäude in diesem Talabschnitt

Kloster Beuron

Eine Eisenbahnbrücke kurz nach Beuron

Auch der Radweg quert die Donau

Links oben Schloss Werenwag

Schloss Sigmaringen überragt das Tagesziel

Donau und Schloss bei Sonnenuntergang