Am letzten Tag der ganz großen Hitzewelle fuhr ich weiter durch die Windungen und Schlaufen des Moseltals hinauf. Die Schmerzen waren nach wie vor groß, aber ich beschloss weiterzufahren und bis Trier durchzuhalten. Tagesziel war das recht bekannte Fachwerkstädtchen Bernkastel-Kues.
Fr, 26.7.2019 (66 km und 220 Hm, gesamt 320 km und 990 Hm)
Fahrrad Briedern – Bernkastel-Kues
Mittagessen: Restaurant zum alten Bahnhof, Bernkastel-Kues
Abendessen: Zum Landsknecht, Bernkastel-Kues
Übernachtung: Haus Bonsai, Bernkastel-Kues (46,50 €)
Besichtigung: Zentrum Bernkastel-Kues
Höchsttemperatur: 35°
Wieder ging es ohne Frühstück los, um die kühle Zeit des Tages zu nutzen. Dies holte ich aber ein einem der nächsten Orte nach, und zwar in der kleinsten Bäckerei meines Lebens. Eine freundliche Migrantin führt dieses in einer engen Gasse.
Bei Senheim wechselte ich das Ufer, um einer längeren unbefestigten Strecke zu entgehen. Hier verläuft das Tal fast gerade. Nach einigen Kilometern ging es unter einer Eisenbahnbrücke hindurch; die Hauptstrecke kommt hier nach einem ca. 5 km langen Tunnel nach Cochem wieder an die Oberfläche und verschwindet gleich wieder im nächsten Tunnel, der eine enge Schleife abschneidet. Mit den fünf Kilometern werden ca. 30 km stark gewundenes Tal abgekürzt.
Vor der engen 180-Grad-Schleife bei Bremm liegt an der Innenseite die Ruine der gotischen Klosterkirche von Suben, die beim Einmarsch der französischen Revolutionstruppen knapp vor 1800 zerstört wurde. An der Außenkurve sollen im Bereich des Calmont die mit bis zu 68° steilsten Weinberge Europas liegen – für mich vergleichbar mit Sodrio im lombardischen Veltlin und Teilen der Wachau in Niederösterreich.
Nach wenigen Kilometern quert die Bahn bei Alf und Bullay die Mosel auf einer doppelstöckigen, gebogenen Eisenbrücke, auf dessen unteren Etage der Straßenverkehr rollt. Direkt anschließend verschwindet sie wieder im Berg, um die Schleife von Zell abzuschneiden und dahinter in eine längere Hangbrücke überzugehen.
Etwas weiter kürzte auch ich die Flussschleife von Zell ab, musste dafür aber auf der Straße Richtung Barl und Marienburg ca. 30 Höhenmeter Anstieg im Kauf nehmen, die ich auf der anderen Seite des Höhenrückens wieder genüsslich hinunterrollen konnte.
Bald danach verschwand die zweigleisige Hauptstrecke in einem weiteren Tunnel, der sie vom Moseltal wegführt. Vor dem Tunnel zweigt jedoch eine Stichstrecke ab, die noch 6 km entlang der Mosel bis Traben-Trarbach führt. Aufgrund der immer noch starken Handschmerzen überlegte ich hier, ob ich die Bahn nach Trier nehmen sollte oder nicht. Von hier bis knapp vor Trier gibt es keine Eisenbahnstrecke mehr – sollten die Schmerzen noch ärger werden, hätte ich mit dem Fahrrad ein Transportproblem. Es gibt nämlich auch keinen durchgehenden Schiffslinienverkehr auf der Mosel, bliebe höchstens als letzte Rettung ein Bustransport, was eher unsicher ist. Mit dem Zug wäre ich um etwa 13:00 bis 14:00 in Trier und könnte noch einen Arzt- oder Ambulanzbesuch organisieren, was an den beiden folgenden Wochenendtagen problematischer wäre. Da ich das Alter meiner Fahrradhandschuhe als Auslöser für die Schmerzen in Verdacht hatte, könnte ich noch ein neues Paar kaufen. Nach dem Wochenende wäre ich in Luxemburg und Frankreich, wo wegen der Sprache alles noch problematischer wäre.
Da die Schmerzen an diesem Tag aber nicht mehr ärger geworden waren, sondern vielleicht sogar minimal abgenommen hatten, entschloss ich mich zum Weiterfahren. So radelte ich zuerst in Fahrtrichtung links der Mosel weiter und wechselte bei Wolf auf die rechte Seite. Bei Ürzig gab es wieder sehr steile Weinberge mit schmalen Terrassen zu bewundern. Am Abend sollte ich von dort einen Riesling probieren, der mir sehr gut geschmeckt hat.
Von hier sah man schon die im Bau befindliche Hochmoselbrücke für eine autobahnähnliche Bundesstraße, die 158 m über dem Fluss auf 1,7 km Länge das Tal überqueren wird. Das umstrittene Projekt ist knapp vor der Fertigstellung.
Zu Mittag erreichte ich Bernkastel-Kues, das ich als Tagesziel auserkoren hatte. Dort nahm ich im alten Bahnhofsgebäude ein Mittagessen ein. Alter Bahnhof deshalb, weil von 1879 bis 1962 eine 102 km lange Kleinbahn von Trier nach Bullay führte, die alle Kurven und Schlingen des Tals ausfuhr und somit eine gute Anbindung des Moseltals an die Außenwelt gewährleisten konnte.
Danach ließ ich mir durch die Tourismusinformation ein Zimmer vermitteln, das ich gleich, also bereits vor 14 Uhr beziehen konnte. Es lag ein paar Gehminuten außerhalb des Zentrums in einem älteren Gebäude an einer verkehrsberuhigten Straße.
Ich rastete, um die Hitze zu überstehen, schrieb etwas am Blog – noch immer in Word, weil ich nicht noch mehr gegenüber der Gegenwart zurückfallen wollte. Am späteren Nachmittag wurde die Hitzewelle mit einem zünftigen Gewitter mit starkem Regen und Hagelbeimengung beeendet.
Nach dem Regen ging ich zum Abendessen. In der Gegend hatte ich schon öfter „Gräwes“ auf Speisekarten gelesen, wegen des unappetitlichen Klangs mich aber nie informiert, was das sei. Nun stand auf der Karte, dass dies eine Mischung aus Püree und Sauerkraut ist. Das gefiel mir, also bestellte ich Gräwes mit Kassler und Mettwurst (für Österreicher Selchfleisch und eine gekochte, harte Hauswurst). Die Kellnerin verriet mir, dass Püree und Sauerkraut getrennt zubereitet und erst am Ende zusammengemischt werden. Sehr empfehlenswert – saftiger als ein reines Püree und mit einer feinen Säure! Zum Tagesabschluss spazierte ich noch durch die Innenstadt und gönnte mir ein Eis.

Moselschleife bei Bremm mit Klosterruine Stuben

Bremm

Nilgänse – Neozoen ohne Scheu vor Menschen

Doppelstockbrücke Alf – Bullay

Schädlingsbeämpfung per Hubschrauber

Auf der Akürzung der Moselschleife bei Zell

Schleusen faszinieren mich immer wieder

Brücke von Traben nach Trarbach

Früher Bahnhof, heute Tourist Info von Traben-Trarbach

Flussschleife von Wolf und Kröv

Sonnenuhren sieht man immer wieder

Die fast fertiggestellte Hochmoselbrücke

Marktplatz von Bernkastel

Verwinkelte und enge Gassen

Es geht noch enger

Könnte ein neueres Fachwerkhaus sein

Bernkastel von Brücke nach Kues im Abendlicht

Straße zum Hotel

Geräte für traditionelle Zuckerlproduktion